Analoge Datenberge im Digitalzeitalter

Ein Artikel, den ich neulich gelesen habe, hat mich wieder in meinem Argwohn gegen die arglose Einwilligung zur Datennutzung bestärkt. Konkret ging es um Gesundheitsdaten, die in anonymisierter Form zu Forschungszwecken freigegeben werden sollten (siehe dieser Artikel). Auch wenn es prinzipiell sicher allen zugute kommt, wenn Forschungseinrichtungen Daten erhalten, um z.B. daraufhin das Gesundheitssystem zu verbessern, muss man hier genauso vorsichtig sein, wie in der digitalen Welt.

Erstens gilt, solche Daten, wenn sie denn erstmal erhoben sind, werden wahrscheinlich nicht wieder verschwinden und im Zweifel vielleicht sogar, weil irgendjemand in der Verarbeitungskette sich nicht an Zusagen hält oder gehackt wird, an komplett andere Empfänger als geplant weitergegeben.

Zweitens sind viele dieser Datensätze nicht ausreichend anonymisiert. Wie in dem Artikel auch beschrieben, reicht dann das Geschlecht die Postleitzahl und das Geburtsdatum, um Personen trotz fehlenden Namens und Adresse in 80% der Fälle eindeutig zu identifizieren. Und das sind nur drei Merkmale. Wenn zusätzlich noch andere Merkmale erhoben und gespeichert werden erhöht sich diese Quote, sodass ab 15 Merkmalen in quasi 100% der Fälle die Person zweifelsfrei bestimmt werden kann; und das obwohl keinerlei personenbezogene Daten im Datensatz enthalten sind.

Dasselbe gilt natürlich auch für den Online-Bereich, nur haben dort zumindest ein Großteil der Menschen nach den letzten Datenskandalen zumindest ein ungutes Gefühl im Hinterkopf. Der VDI berichtet etwa, dass ca 72% der Deutschen keine Sprachassistenten nutzen und 42% Bedenken vor Datenmissbrauch haben.

Nur im analogen Bereich haben wir oft weniger bedenken. Dabei hinterlassen wir auch dort Spuren, gewollt oder ungewollt. Und die ehemals analogen Aktenberge werden, wenn nicht schon geschehen, digitalisiert und mit immer besser werdenden Analysemethoden durchleuchtet. Und wer weiß genau, ob seine Bank, Krankenversicherung, Hausverwaltung etc. Daten in „anonymisierter“ Form weitergibt. Die Einwohnermeldeämter sollten ja durch ein Gesetz ermächtigt werden ihre Daten ungefragt an Interessenten zu verkaufen. Interessanterweise wurde das Gesetz während des EM-Halbfinalspiels 2012 von den nur wenigen anwesenden Abgeordneten ohne große Diskussion im Eiltempo beschlossen. Das schlussendlich nach dem Scheitern im Bundesrat entstandene Gesetz sieht nun eine Einwilligungslösung zur Weitergabe von Daten vor.

Man sieht also: Auch im analogen Bereich gibt es immer wieder Versuche, die staatlichen oder halbstaatlichen (Sozialversicherung) Datensätze zu Geld zu machen. Schließlich predigt ja das Silicon Valley, dass Daten das neue Öl sein und wer möchte sich so ein Geschäft entgehen lassen; und für den Staat wäre dies eine einträgliche Einkommensquelle, die relativ einfach und mit weniger Protest als bei Steuerveränderungen umzusetzen wäre.

Es bleibt einem also nichts übrig, als sich regelmäßig zu informieren, ob gesetzliche Änderungen zur weiteren Datenerhebung oder Weitergabe von bestehenden Daten geplant sind. Mich wundert, dass im Jahr 1987 ein riesiger Protest gegen die Datenerhebungen im Rahmen des Zensus losgebrochen ist und heutzutage, wo erstens viel mehr Daten und zweitens diese auch noch einfacher zu erheben sind (Stichworte: Vorratsdaten, neue Polizeigesetze, automatische Gesichtserkennung, RFID-Chips in Personaldokumenten …), relative Ruhe herrscht.

Nachdem man nicht weiß, was an bestehenden Daten ohne neue Gesetzesgrundlage anonymisiert weitergegeben wird – und damit auch keiner Einwilligung bedarf – bleibt einem nichts anderes übrig, als sich auch im analogen Bereich in Datensparsamkeit zu üben. Leider lässt es sich nicht komplett frei über die Angabe von Daten entscheiden, nicht nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben, sondern auch, da sonst notwendige Dienstleistungen nicht bezogen werden können (Strom z.B.). Dennoch sollte man sich bei allen Anträgen oder Verträgen nocheinmal fragen, ob wirklich alle geforderten Angaben verpflichtend und notwendig sind, um die Vertragsleistungen zu erfüllen. Solltest Du Zweifel haben, dann lieber noch einmal nachhaken. Die Verbraucherzentrale gibt auf dieser Seite auch einen ganz guten Überblick.

In diesem Sinne: Daten sind das neue Öl heißt es. Nicht nur die großen Onlineplayer versuchen immense Datenberge anzuhäufen, um durch gezielte Zielgruppen-Auswertungen und Marketing Geld zu verdienen. Nein, es existiert auch im analogen Bereich ein riesiger Datenberg, der stetig wächst und ausgewertet werden will. Man sollte sich also ein datensparsamen Lebensstil in beiden Welten antrainieren.

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