Quelloffene vs. proprietäre Systeme

Im letzten Beitrag habe ich ja über digitale Fußspuren beim Surfen geschrieben. Hier soll es ein wenig um die Systeme (Software) gehen, die wir auf dem Computer oder Handy benutzen. Als Einstieg eine kleine Übersicht über die Browser-Verbreitung weltweit in den letzten Jahren. Interessant finde ich, dass Firefox, als quelloffene Alternative nicht vom Niedergang des proprietären Internet Explorer Windows profitieren konnte (siehe Übersicht von Statista). Vielmehr ist Google jetzt mit seinem Chrome neuer Platzhirsch und leider ist dieser Browser nur teilweise quelloffen. Natürlich, muss man ehrlicherweise sagen, nicht ohne Grund. Schließlich kann und will Google darüber ja bestimmte Informationen sammeln.

Aber was ist der Unterschied zwischen quelloffen und proprietär? Und warum soll quelloffene Software besser sein? Ich habe auch schon mit Menschen gesprochen, die meinten, dass man bei quelloffener Software noch vielmehr ausgespäht wird, weil es ja schliesslich „offen“ sei. Manch Politiker glaubt das auch.


Dazu vielleicht ein kleiner vereinfachter Exkurs (Ich bin kein Informatiker):

Jedes elektronische Gerät besteht aus einer Hardware, die elektrische Signale (im Wesentlichen 1 und 0) verarbeiten kann. Da ist natürlich schon eine Möglichkeit gegeben, über sog. hardwareseitige Hintertüren ausspioniert zu werden. Das zu testen und/oder zu unterbinden ist aber Sache von Profis, davon habe ich keinen blassen Schimmer.

Damit man das Gerät jetzt als Normalsterblicher bedienen kann, braucht man ein Programm, dass die eigenen Befehle und Eingabewünsche in Maschinensprache und letztendlich in 1-0-Signale übersetzt. Das ist das Betriebssystem. Diese Betriebssysteme sehen wir bei manchen elektronischen Geräten gar nicht (z. B. frühere Fernseher, die nur über Knöpfe und Fernbedienung bedient wurden).

Bei anderen Geräten, wie etwa PCs und Handys, kann man aber mehr als die voreingestellten Funktionen ausführen. Dabei ließen sich die Computer in den Anfängen nur mit Codes und Programmiersprache bedienen, bis dann irgendwann die ersten Systeme mit grafischen Benutzeroberflächen entstanden (Macintosh, Amiga, KDE … und das wohl bekannteste Windows). Das bedeutet man kann mit einem Eingabegerät (Tastatur, Maus) Dateien erstellen, ablegen, löschen etc. und andere Programme, die auf dem Betriebssystem aufbauen, bedienen. Das Betriebssystem übersetzt das, was wir sehen und tun, über verschiedene Unterprogramme (in Programmiersprache) in Maschinensprache und am Ende wieder in 1-0-Signale. Diese elektrischen Signale verarbeitet dann der Computer. Das Ergebnis geht denselben Weg rückwärts und wird uns dann auf dem Bildschirm angezeigt.

Exkurs zu Ende 🙂


Soweit so gut, aber genau hier fängt der Unterschied zwischen proprietären und quelloffenen Systemen an.

Microsoft (v.a. Bill Gates) hat unbestritten eine große Leistung mit Windows vollbracht, nicht zuletzt wurde der PC dadurch zum Alltagsgegenstand. Aber Windows ist eben ein proprietäres System, d.h. kein Mensch außer Microsoft (und ein paar anderen findigen Leuten), weiß genau wie dieser „Übersetzungscode“ zwischen Eingabe und elektrischem 1-0-Signal funktioniert und was dabei vielleicht noch so alles berechnet/verschickt wird. Jetzt kann man natürlich sagen, ist doch ihr gutes Recht, schließlich hatten sie auch die Arbeit damit. Aber letztendlich habt Ihr die Software auch gekauft (früher gab es ja noch keine Abos, d.h. ihr ward Besitzer der Software). Und von etwas, für das man bezahlt hat, kann man auch erwarten sicher zu sein, dass es nicht noch andere Sachen macht.

Früher kam ja noch dazu, dass Windows einem verboten hat, gewisse Programme (z.B. Internet Explorer) zu löschen, da es sonst nicht mehr funktionierte. Unmöglich in den Augen vieler (und auch mir), dass einem die Software, die man besitzt, vorschreibt, was man darf und was nicht. Mit der Einführung von Windows 10 hat sich Microsoft dann auch ganz unverfroren umfangreiche Erlaubnisse zum mithören/lesen eingeräumt, worüber dann zum Glück auch relativ ausführlich in großen Medien berichtet wurde. Diese Funktionen in Windows 10 kann man zwar einschränken, aber teilweise ist das sehr aufwändig.

So viel zu Windows als Beispiel eines proprietären Systems. Das Gegenteil ist quelloffen. Bei quelloffenen Systemen tun sich verschiedenste Programmierer/Entwickler zusammen und programmieren das System (und andere Software) und am Ende gehört es allen und keiner Firma. Diese Codes werden dann unter einer freien Lizenz öffentlich für alle zugänglich zur Verfügung gestellt (u.a. haben diese Lizenzen spezielle Vorgaben/Einschränkungen für die gewerbliche Nutzung). Das wiederum bedeutet, dass jeder der Ahnung davon hat, die Codes lesen und verbessern kann. Das verringert das Sicherheitsrisiko dieser Systeme und Software, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, dass irgendjemand ein Hintertürchen im Code entdeckt oder einen Fehler, der von Viren ausgenutzt werden könnte. Dasselbe gilt natürlich für Codeteile, die zum Spähen eingebaut wurden.

Eure Daten sind also nicht, wie manchmal fälschlich vermutet und behauptet, öffentlich. Öffentlich sind vielmehr die Prozessanweisungen für das System/die Software, mit der Eure Daten verarbeitet werden sollen. Und das bedeutet auch, jeder kann es, mit entsprechendem Know-How, auf seine Bedürfnisse zu schneidern.

Inzwischen arbeitet der Großteil der Serversysteme mit quelloffener Software und auch große Firmen nutzen sie immer mehr für Ihre Produkte (Maschinen etc.). Nur im Endnutzer/Privatnutzer-Bereich sind derartige Systeme noch in der Minderheit.

Manche Fragen dann immer: Und warum machen die Programmierer das ohne die Rechte am Code zu behalten und die Nutzung zu verkaufen?

Erstens suchen manche gezielt die Herausforderung ein IT-Problem zu lösen und fühlen sich dem Gedanken eines Gemeinschaftsprojekts verpflichtet. Darüber hinaus finanzieren sich manche Projekte mit Spenden oder Firmen zahlen Beiträge und/oder Preisgelder, weil sie durch die große Programmiergemeinschaft eventuell schneller Probleme gelöst bekommen und durch das Mehraugen-Prinzip auch eine weniger fehleranfällige Software erhalten.

Android ist zum Beispiel ein quelloffenes System. Es enthält aber so, wie man es auf dem Handy vorinstalliert bekommt, Bestandteile, die nicht quelloffen sind (Playstore & Google Apps). Für Google spart das massiv Entwicklungskosten, deswegen wird die Software auch kostenfrei angeboten. Das Problem ist aber, dass man die nicht-quelloffenen und damit verwundbaren und spähenden Apps nur vom Handy kriegt, wenn man das Handy routet und dabei die Garantie verliert. Zusätzlich spricht gegen die quelloffene Logik, dass man einen Google-Account zum App-Installieren braucht. Zudem hat Google als Initiator des Android-Systems eine gewisse Marktmacht gegenüber den Hardware-Herstellern bekommen und kann, wie man jetzt bei Huawei sieht, gewisse Einstellungen erzwingen. Also in meinen Augen ausreichend Gründe, die dagegen sprechen.

Quelloffene Software ist also gar nicht so selten, wie vielleicht manche denken. Man muss sich aber selbst darum kümmern zu gucken, was es gibt und oft sind die Projekte noch in den Kinderschuhen oder die Software ist nicht ganz so benutzerfreundlich, wie das, was man von den großen Firmen kennt. Es kann dann schon auch mal vorkommen, dass man etwas mehr Zeit braucht, bestimmte Funktioenn einzurichten. Das liegt aber oft nicht an der Software, sondern an den Herstellern der Geräte, die die Treiberdaten nicht veröffentlichen und nur ihre vorgefertigten Windowstreiber bereitstellen.

Insgesamt bin ich aber der Meinung, der Umstieg und das Wagnis lohnt sich auf jeden Fall. Es gibt eben auch Sachen, die man mit quelloffenen Systemen machen kann, die unter Windows oder Mac nicht funktionieren würden. Schließlich kann ja jeder das System an seine Bedürfnisse anpassen (das geht soweit, dass man es aus Versehen löschen kann, während es läuft). Allein das ist für mich schon Grund genug, und kommt meinem Bedürfnis von digitaler Souveränität nach.

Im Bereich der Betriebssysteme für Pcs ist meine Wahl ein Linux-System. Zu meinem Bedauern nutzen nur ca. 0,76% (2018) der Endanwender Linux als Betriebssystem. Dabei gibt es so viele Linux-Varianten (andere Bedienung/grafische Oberfläche/anwenderfreundlicher vs. optimiert für Programmierer/Entwickler…) und inzwischen ist die Installation auch echt einfach geworden. Ich kann es also jedem nur ans Herz legen sich in der Richtung schlau zu machen. Einige der bekanntesten Linux-Distributionen sind: Ubuntu, Kubuntu, Red Hat, Suse…

Die Stadt München hatte sogar mal, als eine der wenigen Städte weltweit, eine eigene Linux-Version: LiMux. Leider wurde das Projekt aufgrund geänderter politischer Mehrheiten (und Probleme bei der Vernetzung der stark bruckstückhaften EDV-und Software-Infrastruktur in den verschiedenen Stadtverwaltungen) 2017 eingestellt und die Rückkehr zu Microsoft beschlossen.

Als freie/quelloffene Software außerhalb des Betriebssystems sind zudem recht bekannt und zum Teil von mir genutzt:

  • Firefox und andere Versionen die darauf basieren als Browser.
  • Thunderbird als Email-Programm
  • LibreOffice als Alternative zu MS Office mit nahezu identischem Funktionsumfang
  • VLC-Player zum Abspielen von Videos
  • Audacious zur Musikwiedergabe
  • Spreedme als Videotelefoniesoftware, gibt es zum Teil auch als Handyapp
  • Nextcloud als Cloudspeicher (Alternative zu Dropbox); in der Nextcloud lässt sich auch ein dezentraler Kalender (Caldav) verwalten
  • und viele anderen

Nachdem ich mir vor etwas mehr als eineinhalb Jahren auch gegen meine ursprüngliche Abneigung ein Smartphone gekauft habe, war es mir wichtig dort ein freies System zu installieren und nicht Google ausgeliefert sein zu müssen. Aktuell teste ich das quelloffene System Sailfish OS, von der kleinen finnischen Firma Jolla. Insgesamt funktioniert es ganz gut, hat aber natürlich nicht den Funktionsumfang wie Android und viel weniger Apps, die darauf laufen. Man kann die Software aber für einmalig 50 € € kaufen und erhält dann neben einer Textvorhersagefunktion auch eine Android-Emulation (d.h. das Betriebssystem gaukelt dem Programm vor, Android zu sein). Mit dieser Emulation kann man dann auch Android-Apps nutzen (z.B. aus dem F-Droid-Store). Leider untersützt das System gerade nur die Emulation bis zur Android-Version 4.4, allerdings ist das ganze Projekt noch relativ am Anfang. Ich bin gespannt, wie sich das über kurz oder lang entwickelt.

Unabhängig von Jolla finde ich es schade, dass die europäische Union kein gesteigertes Interesse daran hat eine europäische Android/ios-Alternative zu etablieren; andere Staaten wie Russland und Indien versuchen gezielt über die staatlichen Telekommunikationsunternehmen andere Handysoftware im Land zu etablieren (unter anderem Sailfish-Abwandlungen). Abgesehen von Sailfish gibt es noch einige andere quelloffene Handybetriebssysteme etwa Lineage OS (Abspaltung von Android), microG, Firefox OS usw., die ich aber bisher nicht ausprobiert habe.

In diesem Sinne: Man sollte sich nicht nur über sein Internetverhalten Gedanken machen, sondern auch darüber, welche Software man auf seinen Geräten einsetzt. Bei vielen proprietären Programmen kann man nicht wirklich souverän über die Anwendung bestimmen. Zudem kann niemand nachvollziehen, ob die Software zusätzlich noch anderes im Hintergrund macht. Hier können quelloffene Systeme eine Alternative sein, da sie von vielen Menschen weltweit entwickelt werden und durch das Mehraugenprinzip auffällige Praktiken und Codefehler schneller entdeckt werden. Als Nicht-Itler ist es zwar etwas aufwändiger, diese Systeme zu installieren und so einzurichten, wie man sie benötigt, aber es lohnt sich.

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