Kommunikations-Blackout

Was für eine Aufregung vor ein paar Wochen! Facebook, Instagram und Whatsapp auf einen Schlag weltweit nicht erreichbar. Als die Dienste aus dem Facebook-Universum Anfang des Monats für 5! Stunden nicht erreichbar waren, kam das für einige einem Weltuntergang gleich. Andere, insbesondere die Älteren, haben davon wenig bis gar nichts mitbekommen. Vom Ausfall der Notrufnummern aus dem Mobilfunknetz einiger Städten (hier) hat wahrscheinlich nicht einmal jeder 1000te etwas mitbekommen.

Der Ausfall zeigt, wie wichtig dieser Riesenkonzern inzwischen für die weltweite Kommunikation ist. Der Hauptkonkurrent Twitter verzeichnete binnen der wenigen Stunden einen enormen Anstieg von Neuanmeldungen und konnte es sich nicht verkneifen, alle Neuankömmlinge mit einem „Hallo buchstäblich Alle“ zu begrüßen. Was die Änderung der Datenschutzregeln (Whatsapp) und generelle Geringschätzung von Datenschutz, Skandale (wie etwa der um Cambridge Analytica) und andere Verfehlungen nicht vermochten, schafft jetzt eine Fehlkonfiguration der DNS-Server. Das sind die Server, die eine geschriebene Internetadresse in die Internet-Zahlencode-Adresse übersetzen.

Auch nach dem Ausfall ging es objektiv gesehen nicht wirklich besser weiter. Frances Haugen erhebt schwere Vorwürfe gegen Konzern (zum Beispiel hier), insbesondere auch, dass die negativen, psychischen Konsequenzen der Instagram-Nutzung – verzerrte Realitätseinschätzung und erhöhte Suizidgefahr – für junge Mädchen bekannt waren und aus Gründen der Gewinnsteigerung in Kauf genommen wurden. Zum Hintergrund: Facebook plante sogar eine Herabsetzung des Mindestalters, sodass Unter-13-Jährige den Dienst hätten nutzen können. Mittlerweile hat das Unternehmen davon Abstand genommen (hier), aber die Anschuldigungen der Ex-Mitarbeiterin wurden zurückgewiesen und mit einer Gegenattacke begleitet.

Doch dem Aktienkurs, der ja theoretisch die Chancen und Risiken einer Unternehmung abbilden soll, ist nach dem Kursrutsch infolge des Diensteausfalls wieder am Steigen. Die Enthüllungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Dienste scheinen für Anleger kein Risiko darzustellen; zu Gut funktioniert die Werbemaschine Facebook.

Und was hat das alles mit digitaler Souveränität zu tun?

In meinen Augen so Einiges: Erstens ist Facebook durch seine Dienste und globale Vernetzung ein kaum aus der Welt zu denkender Bestandteil der Kommunikation geworden und hat damit natürlich auch eine entsprechende Macht und Einfluss auf Staaten und Gesellschaften. Das wirkt direkt oder indriekt (z.B. durch selektive Informationsauswahl) auf deren Souveränität. Der Streit mit Australien um die Rechte an Nachrichteninhalten zeigte das eindrücklich (hier).

Zweitens sind alle Dienste des Konzerns ein Paradebeispiel für Lock-ins: Man kann die Dienste mit einer anderen Software nicht verknüpfen (also z.B. mit WhatsApp-Nutzern ohne WhatsApp kommunizieren). Es gibt bewusst keine Schnittstellen und damit keine Interoperabilität. Instagram geht sogar noch weiter und unterbindet Links zu externen Inhalten, so dass alles nur auf dieser Plattform stattfinden kann. Das ist gewollt und im Digitalbereich nicht unüblich; wichtig ist bei dem Vorgehen immer, der Erste zu sein. Dann möchten die Nutzer aufgrund der Netzwerk-Effekte nicht zu einem anderen Dienst, weil dort die Freunde nicht sind. Und das wiederum begünstigt Monopole.

Drittens ist der Konzern als Firma auch nicht rechenschaftspflichtig gegenüber dem Souverän. Weder die Geschäftsführer noch die Unternehmensziele können von der Gesellschaft bzw. dem Souverän durch eine Wahl beeinflusst werden. Die Konsequenzen tragen aber alle, gleich ob sie Nutzer sind oder nicht. Einige Informationen finden sich so z.B. nur noch auf Facebook-Seiten. Ähnlich ist es auch bei Amazon, wo selbst Nicht-Amazon-Kunden vom Einzelhandelssterben betroffen sind.

Und viertens gibt es für derartig global agierende Konzerne faktische keine Regulierungsinstanz, weil jedes Land seine eigene Gesetzgebung hat. Bisher fand sich auch keine gemeinsame Linie für international verbindliche Regelungen z.B. hinsichtlich Datenschutz und oder Meinungsfreiheit (Stichwort: Hatespeech). Noch weniger realistisch ist natürlich eine Institution, die das dann auch durchsetzt und damit in Länder hineinregieren müsste. Dasselbe gilt für die Steuerpflicht, der sich so gut wie kein lokal gebundener Betrieb entziehen kann; multinationale Konzerne schon. Die Steuereinnahmen ermöglichen aber natürlich auch wiederum Souveränität für den Staat und jeden Bürger; in dem er zum Beispiel auch ein staatliches Verkehrsinfrastruktursystem nutzen kann, um dorthin zu fahren, wohin er möchte.

Nur die profitabelsten Tech-Konzerne haben auffällig häufig eine winzige Steuerlast und das zumeist auch nicht in den Ländern, in denen die Umsätze entstehen. Die globale Mindeststeuer soll das lindern, aber zum einen müssen die Länder freiwillig mitmachen wollen und zum zweiten wurden schon die ersten Ausnahmen für Banken bekannt. Zudem ist der Mindestsatz von 15% immer noch deutlich niedriger als in den meisten Hochlohnländern wie Deutschland oder die USA. Es bleibt dabei, dass große Konzerne Staaten gegeneinander ausspielen können, um die besten Bedingungen für sich rauszuholen.

Und jetzt?

Wie immer ist natürlich das eine zu sehen, was passiert. Das ist ja inzwischen schon mehrfach passiert. Den letzten großen Aufschrei gab es bei den Enthüllungen zum Cambridge Analytica-Skandal. Passieren tut meistens wenig, was einerseits am oben beschriebenen Problem liegt, dass ein Land allein wenig ausrichten kann. Zweitens aber auch, dass für die meisten der Nutzen insbesondere im Hinblick auf die erleichterte persönliche Kommunikation den gesellschaftlichen Schaden bei Weitem überwiegt. Nur das Problem ist, die Gesellschaft sind wir alle.

Die EU plant aktuell einen neuen Rechtsrahmen, um die Techriesen einzuhegen. Dazu wurden die zwei Verordnungsentwürfe „Digital Markets Act“ & „Digital Service Act“ kurz „DMA“&“DSA“ vorgegelegt. Damit sollen u.a. die Tranzparenzpflichten, z.B. wie die Algorithmen funktionieren, erhöht werden und ein barrierefreier Zugang zu den digitalen Marktplätzen ermöglicht werden.

So können neue Anbieter nicht mehr so einfach von den App-Stores ausgeschlossen werden und Bürger besser nachvollziehen, was mit Ihren Daten passiert. Gleichzeitig sollen die Plattformbetreiber verpflichtet werden Schnittstellen für ihre Services – wo möglich – bereitzustellen. Dann könnte am Ende doch ein Signal-Nutzer mit einem WhatsApp-Nutzer kommunizieren ohne die Signal-App zu nutzen. Ob das alles so kommt oder in den parlamentarischen Mühlen klein gemahlen wird, wird die Zeit zeigen.

Unabhängig davon sollte sich aber auch jeder selbst fragen, was sein Nutzungsverhalten für Konsequenzen hat und ob er Ähnliches nicht woanders finden könnte. Schließlich ist es wie mit der DSGVO: Der Staat kann die Rechte einräumen, aber sie müssen auch genutzt und wahrgenommen werden. Für alle, die überhaupt kein Problem mit dem Geschäftsgebaren von Big Tech haben bzw. denen deren Dienste unersetzbar sind, bleibt alles beim Alten. Alle anderen, die sich latent unwohl dabei fühlen, weil sie schon wissen, was die Konsequenzen sind und die eigentlich mehr Freiheit in der Dienstauswahl möchten, profitieren von den Regeln. Mit der dadurch gewonnenen Wahlfreiheit fehlt dann eigentlich nur noch der Wille etwas neues auszuprobieren. Schon jetzt gibt es ja so einige Alternativen, nur dass diese zum Großteil noch nicht mit den existierenden Standardanwendungen verknüpft werden können (interoperabel sind). Wenn das dann gegeben ist, sollte noch einige mehr dazu kommen und der Wechsel mit etwas Zeit zum Recherchieren spielend leicht fallen

In diesem Sinne: Der große Facebook-Ausfall hat der Welt unfreiwillig gezeigt, wie vernetzt und abhängig viele Menschen von einem zentralen Anbieter sind. Ein guter Zeitpunkt, um sich selbst noch einmal zu vergegenwärtigen, welchen Nutzen man aus den Diensten zieht und ob es keine kleineren und unabhängigeren Alternativen dafür gibt. Mit der Zielsetzung der EU dürfte diese zentrale Stellung eines Anbieter in Zukunft ohnehin eingeschränkt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner